Es ist schon erstaunlich: Plötzlich reden alle von Responsivität, Agilität, Variabilität, Heterogenität, Ko-Kreation, Transformation, Partizipation und Prototyping und meinen damit ausgerechnet die Marke, die bislang der Inbegriff für etwas Festes, Begrenztes und stabiles war. Mit der Digitalisierung verändern Marken ihre Form grundlegend und machen dabei selbst vor elementaren Erkennungszeichen wie Logo und Claim nicht halt. Oft geht es dabei um mehr als ein Aufhübschen der Marke bzw. die Anpassung ihrer Gestalt an den Zeitgeist.
Die Digitalisierung veranlasst Unternehmen und Marken, ihre kennzeichnenden Elemente grundlegend zu überarbeiten.
Marken verfügen über ein breites Set an formalen kennzeichnenden Elementen. Unter anderem Name, Logo, Claim, Farbe, Schrift, Bildwelt, Sound, Interaktionen, Sprache und Formensprache. Diese kennzeichnenden Elemente, die auch als Branding einer Marke bezeichnet werden, haben insbesondere diese Ziele:
- Aufmerksamkeit für die Marke erzeugen
- Ihre Auffindbarkeit zu erhöhen (Orientierung).
- Die Marke vom Wettbewerb zu differenzieren (Erkennbarkeit)
- Informationen über die Marke und das Produkt zu vermitteln
- Ein einheitliches Vorstellungsbild (Image) von der Marke zu erzeugen
- Die Marke positiv mit Bedeutung aufzuladen
- Die Produktverwendung des Konsumenten zu erleichtern (Usability, Ergonomie)
- Die Identifikation eines Kunden mit der Marke zu steigern
- Die soziale Anerkennung des Konsumenten zu erhöhen (Prestige-/Ausweisfunktion)
Folglich bemisst sich die Qualität eines Brand Design nicht an seiner Ästhetik – einer wie auch immer gearteten Kreativität – sondern an seiner Funktionserfüllung. Das bekannte Burberry-Karomuster, die parallel gefalzte Aluminiumstruktur der Koffermarke Rimowa, die markige Nivea-Schrift, der schlagfertige Humor, mit dem die Apple-Software Siri zu uns spricht, das Telekom-Magenta oder der mit der Hand geschriebene Vorname auf einem Starbuks-Becher sind Beispiele für markenprägende Elemente, die aus einem Produkt eine Marke machen. Ein markantes Brand Design die notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Markenführung.
«Form Follows Function» in einer digitalen Welt
Das wichtige gestalterische Prinzip, wonach die Form der Funktion folgt, bekommt in einer digitalen Welt eine neue Dringlichkeit. Welches Design für eine Marke heute funktioniert, diktieren vor allem Unternehmen wie Google, Facebook, Apple oder Amazon durch ihre je spezifischen Interfaces, Funktionen und Algorithmen. Wenn Apple entscheidet, Adobe Flash nicht mehr zu unterstützen oder Youtube mit seinen Bumper Ads eine neue Werbeform etabliert, die Marken nur sechs Sekunden Zeit gibt, dafür aber vom User nicht überspringen werden kann, müssen sich Marken in ihrem Design darauf einstellen. Tatsächlich verändert die Digitalisierung unser Verständnis von Design und einer «guten Form» grundlegend. Damit verbunden sind drängende Fragen, die sich Marken heute stellen müssen:
- Welchen Stellenwert hat das Branding einer Marke im Zeitalter des Content Marketings, das weniger auf die formale Penetration, sondern auf die inhaltliche Relevanz von Kommunikation zielt?
- Wie frei dürfen die kennzeichnenden Elemente einer Marke verwendet werden? Z.B. im Kontext von User-generated Content?
- Sind Designregeln wie Logo-Schutzzonen noch zeitgemäss, wenn es immer mehr Medien, Interfaces und Anwendungsmöglichkeiten gibt, die gestalterische Variationen erzwingen
- Wie variabel kann bzw. muss ein Design sein, damit es in wechselndem Interaktionskontexten und Medienumfeld funktioniert?
- Verliert der Claim seinen angestammten Platz, weil Displays bzw. Werbemittel immer weniger Raum für inhaltliche Botschaften bieten?
- Was wird aus der Bildsprache einer Marke in Medien wie Instagram oder Snapchat, die stark von einer eigenen Ästhetik bestimmt sind?
- Wie muss ein Brand Design aussehen bzw. welche Funktionen hat es, damit eine Marke auf Google auffindbar ist?